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Zukunftsforum Ecornet 14.09.2021

Die nachhaltige und gesunde Stadt zusammen denken - Strategien einer Post-Corona-Stadt Digitale Veranstaltung

Vor dem Hintergrund multipler Krisen wie der Corona- oder Klimakrise gilt es, die Zukunft der Städte und ihrer Lebensbezüge zum Umland neu zu denken. Doch wie können Städte nachhaltiger, gesünder und lebenswerter gestaltet werden? Hierüber sprachen Stadtentwicklungs-forscher*innen beim siebten Zukunftsforum Ecornet.

Der Shutdown des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens; die Wiederentdeckung dessen, was „systemrelevant“ ist; neue Formen des Gemeinsinns und der Generationen; eine ungeahnte Gestaltungskraft des Staates auf allen Ebenen: All das sind Phänomene der Corona-Krise, die unser Denken über Gesellschaft, Wirtschaft und Politik nach Corona prägen werden. Dies gilt insbesondere auch für den städtischen Raum, wie die Moderatorin Dr. Carolin Baedeker vom Wuppertal Institut eingangs bemerkte. Lokal und vor Ort seien die Konsequenzen aus der Krise plastisch und konkret geworden. Nun gehe es darum, die Konturen einer resilienten Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu entwerfen, die in der Lage sind, mit künftigen Krisen und mit den weiteren großen gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umzugehen.

Gesundheit und Nachhaltigkeit vernetzt denken

Anja Bierwirth, Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel des Wuppertal Instituts, plädierte im Sinne des Veranstaltungstitels dafür, die gesunde und nachhaltige Stadt zusammenzudenken. So seien beispielsweise im Bereich der Mobilität Nachhaltigkeits- und Gesundheitszugewinne eng miteinander verzahnt: Eine Mobilitätswende in Verbindung mit der entsprechenden Umwidmung von Flächen käme nicht nur der Umwelt zugute, sondern würde zudem die aktive Mobilität und somit die Gesundheit fördern – gerade auch von Kindern und Jugendlichen. Allerdings brauche es für integrative Ansätze, vor allem innerhalb von Bestandsveränderungen, bessere Instrumentarien für Planung und Verwaltung. Dies zeige sich auch bei der Geschwindigkeit von Stadtentwicklungsprozessen. Hier könnten demokratische Beteiligungsverfahren entgegen weitläufiger Ansichten sogar als Beschleuniger fungieren, da getroffene Entscheidungen auf mehr Akzeptanz stoßen würden. So wäre es beispielsweise denkbar, der Zivilgesellschaft im Quartier mehr Kompetenzen und Gestaltungspotenziale zuzugestehen und im Gegenzug Verwaltungshürden abzubauen. Letzteres könnte beispielsweise durch die bessere Nutzung von Synergieeffekten zwischen den einzelnen Verwaltungsbereichen erreicht werden.

Vom Quartier zu gesamtstädtischen Lösungen

Patrick Konopatzki, Projektleiter im Fachgebiet Umweltrecht & Partizipation des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen (UfU), betonte, wie sehr städtische Nutzungsformen von der Nachhaltigkeitsdebatte profitieren würden. So würde beispielsweise das Potenzial bestimmter öffentlicher Flächen durch verringerten Verkehr erst zutage gefördert werden. Dabei verwies er auf eine Forsa-Studie, der zufolge im Laufe der Corona-Krise urbane Räume um 50 % mehr genutzt wurden, insbesondere von jüngeren Generationen. Auch kleinere Flächen könnten hierbei eine wichtige Rolle einnehmen, wenn sie funktional und fachgerecht gestaltet werden würden. Hilfreich dafür sei der vermehrte Aufbau von EU-Förderprogrammen für Stadtbegrünungen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt der Corona-Krise sei außerdem gewesen, dass durch die zeitweise verringerte überregionale Mobilität Anwohner*innen ihr eigenes Quartier bewusster wahrnehmen konnten.

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Koordinationsstelle Klimaschutz der Stadt Köln konnte Julia Egenolf berichten, wie wichtig ein integrativer Ansatz auch auf Verwaltungsebene ist, um Themen wie Gesundheit und Nachhaltigkeit in der Stadt voranzubringen. Die Frage, wie wir zu gesamtstädtischen Lösungen kommen, sei jedoch nicht einfach durch Hochskalieren von Quartierslösungen zu beantworten. Diese ließen sich nämlich selten auf den gesamtstädtischen Raum übertragen. Wichtiger sei, die Quartiersentwicklung als Vorbild zu nehmen und daraus Lehren zu ziehen für die Umsetzung auf städtischer und auch regionaler Ebene. In der Corona-Krise sah sie zudem die Chance aus Momentaufnahmen zu lernen und darüber nachzudenken, was für das gesellschaftliche und persönliche Leben in Städten wichtig ist.

Umweltgerechtigkeit als integrativer Ansatz

Einen besonderen Blick auf Stadtentwicklungsprozesse ermöglicht der integrative Umweltgerechtigkeitsansatz, der auf soziale Ungleichheiten in den Bereichen Umwelt und Gesundheit fokussiert. Dr. Heinz-Josef Klimeczek, der als Inhaber des Berliner Instituts für Umweltgerechtigkeit zu diesem Thema Pionierarbeit leistete, stellte den Ansatz vor und machte Hürden bei der politischen Umsetzung deutlich. In Berlin gäbe es bereits erste Aktivitäten, einen „Stadtentwicklungsplan Umweltgerechtigkeit“ aufzusetzen. Darüber hinaus seien vergleichbare strategische Rahmen bislang jedoch nur in Konturen erkennbar, da vor allem die rechtlichen Voraussetzungen fehlten. Dabei könne der Umweltgerechtigkeitsansatz hinsichtlich gesunder und nachhaltiger Städte ein Türöffner für neue und innovative Ansätze, beispielsweise im Bereich Digitalisierung, sein. Zudem biete er ausreichend Möglichkeiten, marginalisierte Gruppen strategisch in Partizipationsprozesse einzubeziehen. Dafür brauche es jedoch einen übergeordneten Rahmen.

Die Diskutant*innen waren sich einig, dass ein integrativer Ansatz sowohl auf Verwaltungs- als auch auf Forschungsebene notwendig ist, um Nachhaltigkeits- und Gesundheitsaspekte im städtischen Raum gleichermaßen voranzutreiben. Beides ließe sich nicht getrennt voneinander betrachten. Die gesunde Stadt, so Dr. Heinz-Josef Klimeczek, sei auch eine klimagerechte Stadt.