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Zukunftsforum Ecornet 12.02.2020

KI² - neue Intelligenz für die Nachhaltigkeitstransformation? ProjektZentrum Berlin - Neue Promenade 6, 10178 Berlin

Die Debatte um Digitalisierung und künstliche Intelligenz spielt sich zwischen euphorischen Perspektiven und dystopischen Zukunftsängsten ab. Das gilt auch für die Frage, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die sozial-ökologische Transformation hat. Hierzu diskutierten am 12. Februar die rund 90 Teilnehmer/Innen des vierten Zukunftsforum Ecornet.

Digitalisierung ist in der Lage, die sozial-ökologische Transformation ebenso zu ermöglichen, wie radikal zu konterkarieren. Dies gilt vor allem für aus Daten lernende Systeme der Künstlichen Intelligenz (KI), die den digitalen Transformationsprozess enorm beschleunigen und verschärfen. Klug eingesetzt, kann KI eine neue Qualität von Lösungsstrategien erreichen – doch braucht es dafür nicht zuerst eine neue Kollektive Lösungsintelligenz, um KI auf die relevanten Probleme der nachhaltigen Transformation von Organisationen, Wirtschaftssystemen und Infrastrukturen anzusetzen?

Im Eröffnungsimpuls hob Dr. Stephan Ramesohl vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hervor, welche Rolle die Digitalisierung für den sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft spiele. Dabei dürfe der Fokus der Debatte nicht auf einzelnen Technologien liegen, sondern müsse im Zusammenspiel verschiedener Technologien gesehen werden, um Systemlösungen für analoge Herausforderungen zu finden. Letztlich blieben aber auch digitale Lösungen wirkungslos, wenn diese nicht durch entsprechende Verhaltensänderungen begleitet würden.

Ausgehend von der historischen Entwicklung der Energieversorgung wies Dr. Juan Bernabe Moreno, Chief Data Officer beim Energieunternehmen E.ON, in seinem Impuls darauf hin, dass Energie in der heutigen Zeit vor allem kundenorientiert bereitgestellt werde. Dies sei jedoch erst durch die Digitalisierung gestaltbar. Für Energieunternehmen fungiere Künstliche Intelligenz daher vor allem als Werkzeug, um beispielsweise Energiebedarfe und -ineffizienzen erkennen und so Konsummuster optimieren zu können. Insofern sei es notwendig, dass sich Energieunternehmen als Key-Player im Bereich Digitalisierung positionierten.

In einem dritten Impuls befasste sich Thomas Ramge, Sachbuchautor und Research Fellow am Weizenbaum Institut, mit Rebound-Effekten der Digitalisierung. Deren dominierendes Narrativ stelle bislang den Nutzen digitaler Technologien für eine bessere Welt in den Vordergrund. Demgegenüber stünden jedoch die „gebrochenen Versprechen“ aus der Anfangszeit der Digitalisierung. Hier seien nicht zuletzt hinsichtlich demokratischer Prozesse die euphorischen Zukunftsaussichten der Anfangszeit enttäuscht worden.

Dr. Stephan Ramesohl moderierte die anschließende Podiumsdiskussion, an der neben Dr. Juan Bernabe Moreno und Thomas Ramge zwei weitere Gäste teilnahmen: Dr. Kora Kristof, Leiterin der Abteilung Nachhaltigkeitsstrategien, Ressourcenschonung und Instrumente im Umweltbundesamt (UBA), und Dr. Siegfried Behrendt, Forschungsleiter „Technologie und Innovation“ am IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung.

Digitalisierung sei eine enorme Herausforderung für die nachhaltige Entwicklung, so Dr. Kora Kristof (UBA), deren Behörde sich vorwiegend mit den Umweltauswirkungen und sozialen Effekten der Digitalisierung beschäftigt. Auf der anderen Seite müssten aber auch die damit einhergehenden Chancen zur Etablierung nachhaltiger Lösungen gesehen werden. Hier entfalte Digitalisierung bislang noch nicht die vorhandenen Potentiale. Ziel müsse es sein, in Digitalisierungsdebatten immer auch Nachhaltigkeitsaspekte zu thematisieren. Gleichzeitig sei aber auch die Nachhaltigkeitsszene in der Verantwortung, mehr auf die Digitalisierungsbranche zuzugehen.

Dr. Siegfried Behrendt (IZT) benannte zwei wesentliche Treiber der Digitalisierung: zum einen die gewinnstrebende und wachstumsorientierte Ökonomie, zum anderen die Konsument/innen mit ihrer Faszination und mit ihren Wünschen nach Effizienz und Bequemlichkeit. Diese Marktorientierung von Digitalisierung und KI zeige jedoch nur marginale empirisch messbare Nutzeneffekte für die Umwelt. Hier läge eine Chance für die EU-Staaten, neben dem US-amerikanischen und dem chinesischen Weg einen dritten, europäischen Weg zu etablieren, indem man digitalen Innovationen regulativ eine nachhaltige Richtung vorgebe. Dabei sei vor allem die Politik gefordert. Statt bei der KI hinter den USA herzurennen und zu hinken, sollten die Europäer lieber fragen: Welchen konkreten Beitrag könnte KI zur Energie-, Mobilitäts- oder Agrarwende leisten?

Dagegen wendete Dr. Juan Bernabe Moreno (E.ON) ein, dass sich beispielsweise KI aufgrund ihrer Komplexität und der notwendigen Kenntnistiefe nur sehr schwer regulieren lasse. Dr. Kora Kristof (UBA) schlug hingegen vor, zunächst zu fragen: „Wo brennt es schwerpunktmäßig an?“, um im nächsten Schritt mit „kollaborativer Lösungskompetenz“ Teilbereiche der Hot Spots zu regulieren. Forderungen nach einer stärkeren politischen Regulierung wurden auch wiederholt aus dem Publikum geäußert.

Der Autor Thomas Ramge lenkte die Diskussion auf die Frage, inwiefern Digitalisierung die derzeitige Wachstumslogik unterstütze und ob datenbasierte Intelligenz nicht eher zur Förderung von Suffizienz genutzt werden müsse. Dr. Siegfried Behrendt (IZT) zeigte ebenfalls auf, dass Datensuffizienz zwingend thematisiert werden müsse, da Daten und Algorithmen immer eine materielle Basis hätten und mittlerweile acht Prozent des deutschen Energiebedarfs ausmachten.

Eine Publikumsbefragung, ob eine Steuerung unterschiedlichster gesellschaftlicherer Alltagsprozesse durch KI gewünscht sei, machte deutlich, dass die Grenzen zwischen „guter“ und „schlechter“ Digitalisierung fließend und höchst subjektiv sind. So bestätigten die Diskussionen beim vierten Zukunftsforum Ecornet, dass Digitalisierung und KI ambivalente Themen mit Chancen und Risiken sind, welche Regulation erfordern und lediglich in systemischen Denkansätzen nachhaltig sozial-ökologischen Nutzen entfalten können.