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Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland – zehn Jahre nach den Ereignissen von Stuttgart 21

Monitoringreport

Wo steht die Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland heute – mehr als zehn Jahre nach den Ereignissen rund um das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21? Mit der Fachtagung zog das Berliner Unabhängige Institut für Umweltfragen e. V. – UfU – Bilanz zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland. Mehr als zehn Jahre nach den Ereignissen zu Stuttgart 21 wurde unter den geänderten Rahmenbedingungen und den besonderen Herausforderungen der Corona-Pandemie der Frage nachgegangen, was sich von all den Ansätzen, Gesetzesänderungen, Konzepten und Debattenbeiträgen, strukturellen Entwicklungen und Pilotprojekten für die Öffentlichkeitsbeteiligung beim Bau von Infrastrukturprojekten bewährt hat. Welche Fortschritte sind zu verzeichnen, wo bestehen weiterhin wesentliche Hürden für die Zivilgesellschaft? In welchen Bereichen gibt es keinerlei Bewegung für eine bessere Partizipationskultur?

Die virtuelle Fachtagung fokussierte die Entwicklungen im Bereich der formellen und informellen „dialogischen“ Bürgerbeteiligung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Sie nahm insbesondere das gesetzlich vorgesehene und elektronische Beteiligungsgeschehen im Infrastrukturbereich, das durch die Anpassungen an die Corona-Lage einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfährt, unter die Lupe. Zugleich warfen alle Vortragenden gemeinsam mit den Teilnehmenden einen Blick in die nächsten Legislaturperioden.

Auf der Fachtagung konnten rund 70 Teilnehmende gemeinsam mit den Vortragenden Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung des Staatsministeriums Baden-Württemberg, Jörg Sommer, Gründungsdirektor des Berlin Instituts für Partizipation (bipar) e.V. und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung, Prof. Dr. Angelika Vetter, Professorin am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart sowie mit den Partizipationsexpert*innen des UfUs diskutieren. An der partizipativen Fachtagung nahmen zahlreiche Vertreter*innen der Umweltverwaltung, der Partizipations- und Umweltforschung, von deutschen Wirtschafts- und Umweltverbänden, von Vorhabenträgern von Infrastrukturprojekten sowie der Anwaltschaft teil. Auch Gäste aus Frankreich, Österreich und der Schweiz interessierten sich für die Entwicklungen im deutschen Partizipationsbereich.

Das vollständige Programm und die Veranstaltungsdokumentation finden Sie unter:
https://www.ufu.de/projekt/monitoringreport-oeffentlichkeitsbeteiligung/

Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten mangelhaft!

Zehn Jahre nach Stuttgart 21 untersuchte das Unabhängige Institut für Umweltfragen e. V. – UfU – in einer aufwendigen Studie die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung bei deutschen Infrastrukturprojekten. Denn laut EU-Recht müssen umweltrelevante Infrastrukturprojekte in sogenannten UVP-Portalen aufgelistet werden. Das Ergebnis: Im Jahr 2018 gab es rund 2.000 geplante Projekte, bei denen die Öffentlichkeitsbeteiligung verpflichtend gewesen wäre. Tatsächlich wurden nur 190 Projekte in den zuständigen UVP-Portalen des Bundes und der Länder gelistet.

[Cover Monitoringreport 2018 – Anhang 3]

Dieses Ergebnis ist insofern verheerend, als dass hier nicht nur geltendes EU-Recht gebrochen wird, sondern auch die Akzeptanz für diese Projekte bei den Bürger*innen leidet. Die Proteste gegen Stuttgart 21 und gegen den Ausbau der A49 in Hessen zeigen, dass die Öffentlichkeit bei solchen Projekten mitsprechen will.

Mehr Informationen rund um die Öffentlichkeitsbeteiligung bei deutschen Infrastrukturprojekten finden Sie hier. Gerne können Sie unsere UfU Studienergebnisse im „Monitoring Report 2018: Öffentlichkeitsbeteiligung bei Infrastrukturprojekten in der Bundesrepublik Deutschland“ oder im „Ausführlichen Bericht zum Monitoring Report“ nachlesen. Die Studienergebnisse zur Bürgerbeteiligung im Infrastrukturbereich werden in diesem Hintergrundpapier zusammengefasst.

Am 29. Dezember 2020 berichtete die Süddeutsche Zeitung über unsere Untersuchung im Artikel „Wenig gelernt aus Stuttgart 21“. Eine Pressemitteilung hat das UfU ebenfalls herausgegeben.


Text: Kathleen Pauleweit, LL.M., kathleen.pauleweit@ufu.de

Illustrationen: Lena Kunstmann, lenakunstmann.de