Die Umsetzung der "Ökozid"-Regelung der überarbeiteten Umweltstrafrechts-Richtlinie in deutsches Recht

Dieses Gutachten des Ecologic Instituts zeigt auf, wie Deutschland die Ökozid-Vorschrift der EU-Umweltstrafrechtsrichtlinie umsetzen kann – entweder als neue Erfolgsqualifikation im § 330 StGB oder als eigenständigen Straftatbestand für die Gefährdung geschützter Ökosysteme.
Im Jahr 2024 hat die EU ihre Umweltstrafrechts-Richtlinie (ECD) umfassend überarbeitet. In den Trilog-Verhandlungen setzte das Europäische Parlament die Aufnahme von qualifizierten Straftaten, die mit "Ökozid" vergleichbar sind, durch. Dies sind Umweltstraftaten nach der ECD, die
- ein Ökosystem von beträchtlicher Größe oder ökologischem Wert, einen Lebensraum innerhalb eines geschützten Gebiets oder die Luft-, Boden- oder Wasserqualität zerstören oder
- entweder irreversibel oder dauerhaft, großflächig und erheblich schädigen.
Der Begriff "Ökozid" ist bisher vor allem aus der Diskussion um eine Ausweitung des Rom-Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs bekannt, insbesondere aus dem Vorschlag eines Ökozid-Tatbestands durch das Unabhängige Expertengremium für die rechtliche Definition von Ökozid (IEP).
Im Auftrag von Stop Ecocide Deutschland untersuchte Dr. Stephan Sina vom Ecologic Institut, wie die "Ökozid"-Regelung der ECD in deutsches Recht umgesetzt werden könnte.
Dazu wird:
- die "Ökozid"-Regelung im Kontext der geänderten ECD untersucht,
- analysiert, in welchem Umfang das deutsche Recht angepasst werden muss, um die Mindestregelungen der ECD zu "Ökozid" umzusetzen (Umsetzungsbedarf).
- Optionen und Vorschlägen für die Umsetzung werden entwickelt unter Berücksichtigung der Umsetzungsvorschläge für EU-Mitgliedstaaten aus dem am 12. Februar 2025 von einer Arbeitsgruppe veröffentlichten Manual for a National Criminalisation of Ecocide an.
- Die Zusammenfassung gibt eine Übersicht über die wichtigsten Empfehlungen des Gutachtens.
Das Gutachten zeigt zwei grundsätzliche Möglichkeiten auf, die "Ökozid"-Regelung in deutsches Recht umzusetzen:
- Für eine ECD-nahe Umsetzung empfiehlt das Gutachten eine Ergänzung des § 330 StGB, der den besonders schweren Fall einer Umweltstraftat regelt, um einen neuen Erfolgsqualifikations-Tatbestand in Absatz 2 Nr. 3. Als Rechtsfolge sollte eine Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr und höchstens 10 Jahren vorgesehen werden. Für die "Ökozid"-Regelung relevante Definitionen wie die des "Ökosystems" sollten im Rahmen der Begriffsbestimmungen des § 330d StGB eingefügt werden.
- Alternativ kommt eine Umsetzung als Gefährdungsqualifikation in Betracht. Dies würde die Wirksamkeit der Regelung erhöhen und an die Ansätze zur Anerkennung eines Ökozid-Verbrechens im Völkerstrafrecht anknüpfen. Dabei erscheint eine Ausgestaltung als "Eignungsqualifikation", bei dem die Gefährlichkeit lediglich generalisierend festgestellt zu werden braucht, am aussichtsreichsten. Statt in § 330 StGB wäre dafür die Umsetzung in einer eigenständigen Strafvorschrift am sinnvollsten.
Sofern ihnen "Ökozid"-Straftaten zugerechnet werden können, müssen auch Unternehmen belangt werden. Die dafür vorzusehenden Geldstrafen oder Geldbußen sollten am besten in einem eigenständigen Gesetz über Unternehmenssanktionen geregelt und an den jährlichen weltweiten Umsatz geknüpft werden. Die Höhe sollte sich an dem Verhältnis der Mindesthöchststrafe für "Ökozid"-Straftaten für natürliche Personen im Vergleich zu derjenigen für die "einfachen" Umweltstraftaten nach der ECD orientieren und im Ergebnis auf 10 % des Jahresumsatzes festgelegt werden.
Wichtig für die "Ökozid"-Regelung ist auch die Vorgabe der ECD, dass eine Genehmigung nach nationalem Recht in bestimmten Fällen die Rechtswidrigkeit des Handelns nicht ausschließt, wie dies § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB bereits weitgehend vorsieht. Der neue Fall eines "offensichtlichen Verstoßes gegen einschlägige materiellrechtliche Anforderungen" sollte bei der Umsetzung auf offensichtliche und erhebliche Verstöße gegen einschlägige materiellrechtliche Genehmigungsanforderungen bezogen werden. Damit diese Ausnahmen vom Rechtswidrigkeitsausschluss einer Genehmigung auch für das sog. Nebenstrafrecht, d. h. die strafrechtlichen Regelungen in umweltrechtlichen Fachgesetzen, gelten, bietet es sich an, eine erweiterte Fassung des derzeitigen § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB in § 11 des Allgemeinen Teil des StGB aufzunehmen.
Schließlich sieht die ECD die Verursachung der Zerstörung oder eines irreversiblen oder dauerhaften erheblichen Schadens eines Ökosystems als "erschwerenden Umstand" an, der zu einer strengeren Strafe führen kann. Dies kann, muss aber nicht in deutsches Recht umgesetzt werden. Für eine Umsetzung spricht, dass § 330 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB bereits einen ähnlichen besonders schweren Fall enthält, der an die Vorgaben der ECD angepasst werden könnte.
Weiterführende Links:
Download des Gutachtens: Die Umsetzung der "Ökozid"-Regelung der überarbeiteten Umweltstrafrechts-Richtlinie in deutsches Recht https://www.ecologic.eu/sites/default/files/publication/2025/50189-Gutachten-Umsetzung-Oekozid-Regelung-ECD.pdf
Vortrag: Strafverfolgung nach der novellierten Umweltstrafrechts-Richtlinie
Podiumsdiskussion: Neuerungen der EU-Umweltstrafrechts-Richtlinie
Bericht: Umweltdelikte 2021
Vortrag: Anhörung zur Stärkung der Bekämpfung der Umweltkriminalität in NRW
Interview: Umweltkriminalität – warum werden Täter oft nicht bestraft?
Bericht: Status quo und Weiterentwicklung des Umweltstrafrechts und anderer Sanktionen
Bericht: European Union Action to Fight Environmental Crime (EFFACE): Conclusions and Recommendations
Ansprechpartner am Ecologic Institut
Dr. Stephan Sina
E-Mail: stephan.sina@ecologic.eu
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